Krieg in Libyen aus wirtschaftlichen Interessen

Frankreichs besondere Rolle in Kampf gegen Gaddafi

Oberflächlich betrachtet ist das Eingreifen der „Internationalen Gemeinschaft“ in Libyen eine humanitäre Aktion, um deren Zivilbevölkerung zu schützen. Unter juristischen und gerade auch humanitären Gesichtspunkten ist das nicht anders als grotesk zu bezeichnen. Nur abgesehen davon: In anderen arabischen Staaten, wie vor allem in Jemen und Syrien werden zivile Demonstranten ebenfalls verfolgt, niedergeknüppelt und erschossen – weil sie es wagen, es ihren Nachbarn gleich zu tun und ihre Freiheit aus der diktatorischen Knechtschaft fordern. Nur dort wird ein Eingreifen nicht einmal in Erwägung gezogen. Nur, weil es in Jemen und Syrien scheinbar niemanden gibt, der den Westen um Hilfe ruft? Dann können wir natürlich weiter dabei zusehen wie die Aufständischen mit von uns gelieferten Waffen ermordet werden. Zurück nach Libyen! Im Krieg der „Internationalen Gemeinschaft“ gegen Gaddafi und für die Opposition fällt ein Punkt besonders auf. Nämlich der, dass Frankreich sich als Speerspitze aufgedrängt hat. Aus welchem Grund? Um eine mögliche Antwort herauszuarbeiten, müssen wir ein paar Tage und dann ein paar Jahre zurückschauen.


Kurzer Rückblick zu den Anfängen des Bürgerkrieges

Im Zuge der friedlichen und erfolgreichen Aufstände in Tunesien und Ägypten kam es Mitte Februar auch in Bengasi zu Protesten, die sogleich von Polizisten und Gaddafigetreuen blutig niedergeschlagen wurden. Doch die Proteste weiteten sich aus zu einem Aufstand, der in ein Bürgerkrieg mündete. Am 25. Februar erklärten die Rebellen Bengasi als befreit, Gaddaffis Truppen sind aus der zweitgrößten Stadt verjagt worden. Es folgten weitere Eroberungen der Rebellen im Osten des Landes. Der Westen, darunter auch die Hauptstadt Tripolis, wurde weiterhin von Gaddafi kontrolliert. Zügig kam es von der USA und der EU zu Wirtschaftssanktionen, die aber Gaddafi nicht davon abhielten mit Luftangriffen und Bodentruppen den Osten Stück für Stück zurückzuerobern. Bengasi jedoch konnte von den Rebellen gehalten werden. Die Opposition rief inzwischen nach einer Flugverbotszone, auf die sich der Westen zunächst nicht einigen konnte. Doch dann lud der französische Präsident Sarkozy zum Gipfeltreffen ein und konnte im Beisein von US-Außenministerin Clinton und dem britischen Premier Cameron die nun vereinbarte Errichtung der Flugverbotszone als seinen diplomatischen Erfolg verkaufen. Und nur einen Tag später, am 19. März, flogen die Franzosen erste Kampfeinsätze und zerstörten nahe Bengasi Militärfahrzeuge der Armee von Gaddafi. Erst danach folgten britische und amerikanische Militäraktionen. Während nun Gaddafi die Rebellen immer weiter zurücktreibt scheint es hinter den Kulissen weiter Verhandlungen mit seinem Regime zu geben. Laut dpa beriet sich am Mittwoch der libysche Außenminister Mussa Kussa mit französischen Regierungsbeamten, um am Abend zu verkünden, dass er zu den Franzosen übergelaufen sei. Währenddessen wird überlegt, die Rebellen mit Waffen zu beliefern.

Sarkozy rüstete Gaddafi auf.

Wenn Öl-Lieferungen, gute Geschäfte und die dazu notwendige Stabilität in diktatorischen Ländern gewährleistet sind, schaute der Westen noch nie so genau auf die eigenen Grundsätze. Es reichte aus, hin und wieder auf die Verletzung der Menschenrechte hinzuweisen – aber bitte höflich! Sarkozy und Gaddafi haben darüber sicher nie miteinander gesprochen, doch freundschaftliche Gespräche gab es wohl so einige, Abkommen über große Geschäfte sicher. Im Juli 2007 etwa: Bei einem Treffen in Libyen einigten sich Sarkozy und Gaddafi auf eine Waffenlieferung in Höhe von 168 Millionen Euro. Nach Angaben aus Regierungskreisen in Tripolis bestellte Libyen Panzerabwehrraketen der Firma MBDA, eine Tochter des deutsch-französischen Rüstungskonzerns EADS. Dazu kam noch eine Bestellung von digitalen Kommunikatiossytemen in Höhe von 128 Milionen Euro. 2009 konnte Gaddafi sich schließlich über die Lieferung freuen. Die EU konnte sich über diesen Alleingang der Franzosen nicht so sehr freuen. Kein Wunder, denn zu der genannten Waffenlieferung an Gaddafi kam laut Vertrag „Sicherheitsmaterial insbesondere für Grenzen und Häfen, militärische Fahrzeuge aller Art, Logistik in all ihren Formen, Schiffe und Küstenpatrouillenboote, Luftverteidigungssysteme, Luftfahrtausrüstung“ noch hinzu, auch „Weltraumsysteme“ werden in diesem Abkommen gennant.

Atomkraft? Ja bitte!

Beim gleichen Trefen im Sommer 2007 verständigte sich Sarkozy mit Gaddafi zudem auf die Lieferung und den Bau eines Atomkraftwerkes, um mit der daraus gewonnenen Energie das Meerwasser entsalzen und zu Trinkwasser verarbeiten zu können. Gebaut werden sollte das Atomkraftwerk von Areva NP, einem der Weltmarktführer für Nukleartechnik, an dem zu dieser Zeit die Siemens AG mit 34 Prozent beteiligt war. Im Januar 2009 allerdings teilte der deutsche Konzern mit, seine Anteile an den Haupaktionär abgeben zu wollen, dem französischen Staat. Dessen Präsident verstand seinen Besuch bei Gaddafi im Jahr 2007 als Startsignal für eine neue Politik mit den arabischen Mittelmeerländern. Sein Plan war, die Mitelmeer Anrainer Nordafikas und des Nahen Ostens mit den EU-Staaten in einer Mittelmeer-Union zu verbinden. Doch bevor diese dann am 13. Juli 2008 in Paris, im Elysee Palast, tatsächlich gegründet wurde, empfing Sarkozy im Dezember 2007 am selben Ort seinen Geschäftsfreund Gaddafi. Unterschrieben wurden schließlich weitere Verträge und Vorvereinbarungen im Wert von zehn Milliarden Euro, unter anderem für weitere Atomkraftwerke, Airbus Flugzeuge und natürlich Waffen. Sollten die Geschäfte mit Libyen vielleicht als Beispiel für die anderen arabischen Mittelmeer-Staaten dienen? Mit Hilfe der Mittelmeer-Union ist es gut vorstellbar, dass Frankreich die dazu gehörigen Länder nach und nach mit Atomenergie versorgen wollte, denn eine gemeinsame Energiepolitik der arabischen Länder ist – neben der Lösung des Nahost-Konklikts – eines der Kernpunkte auf der Agenda der Mittelmeer-Union. Der Konzern Areva NP mit dem französischen Staat als Hauptaktionär hatte sich wohl schon die Hände gerieben. Denn die Aussichten waren auch so schon blendend. Siemens ging jedenfalls noch im Januar 2009 davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren 400 neue Atomkraftwerke gebaut werden, was einen Investitionsvolumen von einer Billion Euro entspricht. In diesem Zusammenhang ist der Verkauf der Siemens-Anteile an Areva NP mehr als merkwürdig zu bezeichnen. Frankreich konnte sich also doppelt die Hände reiben. Doch nun kam es doch ganz anders als es sich Sarkozy und seine arabischen Diktator-Freunde gewünscht haben.

Stillstand in der Mittelmeer-Union. Fließendes Wasser für Libyen.

Die Mittelmeer-Union besteht seit ihrer Gründung mehr oder weniger nur auf Papier. Grund war dafür auch das Scheitern der Friedenserhandlungen zwischen Israel und Palästina. Eine schwere Niederlage für Sarkozys Vorzeigeprojekt. Ein ganz anderes Projekt ist inzwischen in Libyen im September 2010 zu zwei Drittel fertiggestellt worden, ein Projekt, das Gaddafi als das „Great-Man-Made-River“-Projekt taufte, oder auch einfach als „8. Weltwunder“ bezeichnet wird. Auf der Suche nach Öl in den 1960er Jahren in der libyschen Sahara wurde tief unter den trockenen Wüstensand fossiles Süßwasser entdeckt. Es gilt als größtes unterirdisches Süsswasservorkommen auf dem gesamten Globus, eine Menge mit der man ganz Deutschland 1.000 Meter unter Wasser setzen könnte. Neben das reichliche Öl- und Gasvorkommen ist dieses Wasser für das Wüstenland Libyen eine unschäztbare Kostbarkeit. 1984 startete die erste von drei Bauphasen. Nach Beendigung der zweiten Bauphase 2010 versorgt ein 4.000 km langes Pipeline-Netz bereits die meisten libyschen Regionen. 28 % von dem Wasser geht in die Haushalte, 70 % in die Landwirtschaft. In bisher verdorrten Gebieten sollen nun wieder Getreide, Oliven, Pfirsiche und andere Agrarprodukte angebaut werden. Bis 2030 sollten die Investitionskosten bei 27 Milliarden Dollar liegen. Nach eigenen Berechnungen sei das immer noch günstiger als die bisherigen Versuche Trinkwasser zu importieren oder durch Entsalzungsanlagen zu gewinnen, wodurch also die geplanten Kernkraftwerke aus Frankreich überflüssig wurden. Aber da auch Ägypten, Sudan und Tschad von dem Süsswasservorkommen profitieren sollten, wäre auch da die Unabhängigkeit von westlicher Unterstützung gewährleistet gewesen. Der Gesamtwert dieses Süßwasserareals wird auf über 50 Billionen Dollar geschätzt! Das durfte den zwei weltweit führenden Konzernen im Wassergeschäft ein Dorn im Auge sein: Veolia und Suez – beide aus Frankreich!

Die Wahrung von westlichen Interessen mit militärischen Mitteln

Der damalige Bundespräsident Horst Köhler hatte im Mai 2010 die Marschrichtung schon vorgegeben: „Meine Einschätzung ist aber, . . .dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelsweg.“ Dass diese Äußerung sich nicht nur auf Deutschland bezog, sondern auf die gesamtlich westliche Gemeinschaft, zumindest auf die EU liegt bei der politischen und wirtschaftlichen Einbettung Deutschlands auf der Hand. Dies alles läßt den Schluss zu, dass wir es hier nicht mit einer Militäraktion zu tun haben, die die libysche Zivilbevölkerung schützen soll. Es geht viel mehr darum, den Westen zu schützen, die Öl- und Gaslieferungen zu sichern, das Süßwaaser zu kontrollieren und Gaddafi durch einen kooperativen Handelspartner zu ersetzen. Denn Geschäft ist Geschäft – Ethik und Moral haben da wenig Platz.

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2 Antworten zu Krieg in Libyen aus wirtschaftlichen Interessen

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