Der Irrweg des unbegrenzten Wachstums – Wie kam es dazu? Eine These:

In tausenden Unternehmen wird es in jedem Quartal mindestens einmal richtig spannend. Abteilungsleiter, Geschäftsführer und Vorstände müssen Bericht erstatten: Stimmen die Quartalszahlen? Und wenn ja, welche Vorgaben folgen darauf? Und wenn nicht, wie kann dies begründet werden. Erfolg oder Misserfolg in Quartalshäppchen. Dass sich die Unternehmen dabei selbst Stück für Stück vernichten oder von größeren Konzernen geschluckt werden – soweit reicht die Weitsicht nicht. Denn: Sie und ihre Arbeitnehmer haben es nicht anders gelernt! Dazu eine These, wie es dazu gekommen sein kann.

Es fing alles so wunderbar an!

Seit den Jahren des Wirtschaftswunders bis in die 1980er Jahre war noch ein unternehmerisches Denken verbreitet, das als konservativ zu bezeichnen ist. Ein Unternehmen stellte ein Produkt her oder bot eine Dienstleistung an. Die Preise für das verkaufte Produkt bzw. der Dienstleistung deckten die Kosten für Entwicklung, Produktion, Werbung/Marketing, Personal und Miete. Je besser sich ein Unternehmen der Nachfrage des Marktes, sprich der Verbraucher, anpassen konnte, desto größer der Ertrag. Die Löhne stiegen und es wurde neu investiert: in die Verbesserung des Produktes bzw. der Dienstleistung. Parallel dazu gab es wenige Konzerne, die eine ganz andere Unternehmenspolitik betrieben. Ob Deutsche Bank, Bayer, Krupp, Hoechst oder BASF – das Ziel war nicht, die eigene Volkswirtschaft zu bedienen, sondern weltweit eine führende Rolle zu spielen. Das geschah vor allem mit einem Werkzeug: Wachstum! Dazu brauchten sie Geld, sehr viel Geld! Die Großbanken halfen mit Krediten und bei der Transformation in Aktiengesellschaften. Hier wurde also global gedacht und gehandelt, dem weltweiten Wettbewerb entsprechend. Und dieser Wettbewerb hieß Verdrängungswettbewerb!

Trinkst du Coke oder Pepsi?

Nun passierte zur selben Zeit folgendes: Der Staatsbürger wurde zum Konsumenten erzogen. Ganz nach dem amerikanischen Vorbild ließen wir uns von der Werbung nicht nur beibringen was gut und was nicht gut für uns ist, sondern auch, dass wir überhaupt nur dann zur Gesellschaft gehören, wenn wir dies und jenes haben und dies und jenes denken – da dies ja alle betrifft. Wir kauften erst Nützliches wie Waschmaschinen, Autos, Kühltruhen und natürlich einen Fernseher – meist aus westdeutscher Herstellung. Der Fernseher und das Radio sorgte dann mit der Werbung immer mehr dafür, dass nun auch vermeintlich unwichtige Dinge des Lebens zur Definierung seiner selbst mit beitrugen. Von Coke oder Pepsi, Mc Donalds oder Burger King über Levis oder Wrangler bis hin zu Mac oder Windows. Das amerikanische Lebensgefühl, das Gefühl von Freiheit, ließ uns Camel oder Marlboro rauchen und Led Zeppelin oder Rolling Stones hören. Und was lernten wir? Wir wollten mehr, immer mehr. Und die Produkte, die wir haben wollten, wurden immer teurer. Es musste DIE Marke sein, es musste der Zweitwagen sein, es musste eine größere Reise sein und muss eine bessere Musikanlage und eigentlich auch ein Haus! Ein Eigenheim! Und wer half? Die Banken! Schulden machen wurde so normal wie Cornflakes zum Frühstück oder die Morde im Fernsehen am Abend. Es gab nur eine Richtung: nach vorn! Der Höhepunkt des Glücks begann dann mit der groß beworbenen „Volksaktie“ der Deutschen Post. Manfred Krug und die Gottschalk-Brüder machten aus einem Finanzprodukt mit Risiko ein gewinnversprechendes Papier für alle! Und dann der Internet-Hype! Für ein paar Wochen gab es in jeder deutschen Straße mindestens eine Person, die Millionär war, zumindest nach Aktienstand. Die Einbußen, die wir bis dahin zu tragen hatten, nahmen wir gerne hin, denn schließlich ging es um die neuen „Blühenden Landschaften“, die uns von unserem Bundeskanzler versprochen wurden. Dann kam der weltweite Crash im Neuen Markt, zum Platzen der Aktienblase, die der Internet-Hype ausgelöst hatte. Gestern noch Millionär, heute auf dem Weg zu Arbeitsamt. Es ging auf das neue Jahrtausend zu und wir hätte überlegen können, was eigentlich die letzten 50 Jahre mit uns passiert war.

Eigentum? Vernichtet!

Hatten wir wirklich mitbekommen, was in den letzten Jahrzehnten passiert war? Oder haben uns die vielen Walkman-Modelle, Dallas, Tutti Frutti und AOL was verpassen lassen? Haben wir mitbekommen, dass viele Unternehmen einfach so verschwanden? Telefunken, Braun, Agfa, Teldec, Saba und viele mehr. Der Mittelstand war dabei, zusammenzubrechen. Warum? Weil sich die Konzernpolitik des unbegrenzten Wachstums auf die mittelständischen Unternehmen übertragen hatte. Auch im Mittelstand hieß es nun wachsen oder sterben, der Verdrängungswettbewerb fand nun vor der eigenen Tür statt. Wie konnte der Mittelstand mithalten? Mit Krediten und mit Personalabbau. Wer da nicht mitzog, ging einfach unter, wurde geschluckt oder einfach vom Markt gewischt. Deshalb wurden aus den meisten mittelständischen, dem Mitarbeiter und der Volkswirtschaft verantwortliche Unternehmen Schuldner, deren Hauptziel die Begleichung der Zinsforderung wurde. Diese Abhängigkeit steht über dem Produkt oder der angebotenen Dienstleistung, also der eigentlichen ganz eigenen Unternehmensphilosophie. Aus „Eigentum verpflichtet“ wurde „Eigentum? Vernichtet!“ Der dadurch erzeugte Druck führte zu der irren Annahme, dass das Heil nur im Wachstum zu finden sei. Von der Bank auslösend über die Geschäftsführung bis hin zum einfachen Arbeitnehmer – die Zahlen mussten stimmen! Für Experimente, dem freien Unternehmergeist, für Investitionen in die Zukunft – keine Zeit! Denn der nächste Quartalreport kommt sicher. Alle schwimmen im gleichen Fluss und vergessen hinzusehen wohin. Und zum Frühstück Kellog’s Müsli und zum Abendbrot Big Brother. Und natürlich PC, DVD und Nivea Man. Nicht zu vergessen die Hypothek für das Eigenheim. Wir hätten uns das alles mal in Ruhe ansehen und mal hinterfragen können, nach dem weltweiten Internetcrash. Wir standen ja schließlich vor einem neuen Jahrtausend.

Wachstum ohne Grenzen mit Rentenverzicht

Die Chance aus unseren Fehlern zu lernen hatten wir damals ungenutzt verstreichen lassen. Zugegeben, die Ruhe zum Überlegen wurde uns genommen. Der 11. September 2001 zwang uns dazu, unsere Augen zwar weit aufzureißen, aber mit einem ganz anderen Blickfeld: Aus Konsumterror wurde der Terrorkonsum. Terrorangst ohne Ende und ohne Maß. Spätestens jetzt waren wir weltweit vereint, hatten weltweit eine Verantwortung und hatten weltweit einen neuen gemeinsamen Feind. Nebenbei fühlt sich auch das weltweite agieren der Konzerne nicht mehr fremd an. Dann der Euro! Mit dem Euro wurden wir wirtschaftlich in Europa fest eingebunden. Wer wollte denn auch in solchen Zeiten allein sein? „Zusammen sind wir stark!“, „Packen wir es an!“. Und ob nun D-Mark oder Euro: Die Schulden wuchsen und wuchsen, bei Frau Müller genauso wie bei Fahrschule Sause, bei Karstadt und auch beim Staat. Und auch wenn inzwischen niemand mehr wirklich mit seiner „Die Renten sind sicher!“-Rente rechnet, gilt der Irrglaube des unbegrenzten Wachstums auch heute noch. Dieser Wachstum geht zu Lasten des Produktes oder der Unternehmenskultur. Wenn sich die Führungskräfte ständig rechtgertigen müssen, warum es nicht noch weiter nach vorne geht, können diese nicht wirklich führen. Wenn ein Unternehmer sich ständig vor Aktionäen oder Banken rechtfertigen muss, kann er nicht wirklich unternehmen. Am Ende gewinnt die Bank oder der immer größer werdende Wettberber, bei dem die Bank schon längst fett drin sitzt. Ein Spiel, das also nicht zu gewinnen ist. Das wird dann so absurd, dass  bevor es hop oder doch noch einmal kurz top wird, „Unternehmensberater“ engagiert werden, die einem zeigen sollen, wie man diese Misere noch weiter verschönern kann. Das diese Berater produktfremd sind, ist nur konsequent. Denn um das Produkt geht es nicht mehr, denn das ist austauschbar, wie auch alles austauschbar ist. Kennen wir ja aus dem Fernsehen. Und so wundern wir uns auch nicht darüber, wollen es vielleicht auch nicht. denn auch wir sind austauschbar. Ein kleiner Gedanke: Sie haben eine Bananenplantage auf einer kleinen Insel mit tausend Einwohner. Wieviele Bananen können Sie täglich verkaufen? Wer jetzt besonders schlau sein will, der antwortet: Wenn die Sättigungsgrenze erreicht ist, nutze ich die weiteren Ressourcen und baue ein Schiff, um weitere Bananen auf einer weiteren Insel zu verkaufen! Und wenn dies dort schon jemand tut? Überlegen Sie mal! Ich guck so lange, wieviel der iPad 2 jetzt kostet. Gibt’s jetzt auch in gelb!

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4 Antworten zu Der Irrweg des unbegrenzten Wachstums – Wie kam es dazu? Eine These:

  1. Klaus Block schreibt:

    Sieht ein Tourist einen Einheimischen am Strand im Schatten einer Palme sitzen. „Was machst du?“ „Ich bin Fischer“, sagt der Einheimische. „Und warum fischst du nicht?“ Darauf der Einheimsche: “ Ich habe gestern gefischt, das reicht für diese Woche.“ Der Tourist, jetzt voller Eifer:“Weist du was, du müßtest jeden Tag fischen gehen. Ruckzuck kannst du dir ein zweites Boot, ein drittes, bis du eine kleine Flotte hast. Dann brauchst du selber nicht mehr zu arbeiten und kannst in Ruhe am Strand sitzen!“ Der Fischer: “ He du, was ich wohl gerade hier?“

  2. Marilla Reich schreibt:

    – Tiefgreifender Wandel,
    – Verbesserung,
    – Veränderung,
    – soziale Gerechtigkeit im Sinne von Wohlstand für wirklich alle durch
    – Wachstum nicht durch „immer mehr“, sondern als Wachstum in die richtige Richtung,
    – Menschen fragen, was sie wie haben wollen
    – Ideen finden und gemeinsam weiterentwickeln,
    – dadurch die Produkte, Dienstleistungen und insgesamt die Umgebung schaffen, die wir haben wollen
    – dasselbe auch bei politischen Themen

    und:
    – das alles bundesweit, alsbald europaweit usw.

    Das alles, was ich da geschrieben habe, das beschreibt das, womit ich „unterwegs“ bin.

    Dazu habe ich einen Artikel geschrieben, der das erläutert. Wir könnten das, was ich da erzähle, schon längst haben, und zwar so, dass wir rund um die Uhr mitteilen könnten, was wir zu verschiedenen Themen zu sagen haben, und sogar so, dass davon nichts verlorengeht, alles ausgewertet wird und weiterentwickelt werden kann, und auch noch so, dass jede Mitteilung der mitteilenden Person immer zugeordnet werden kann.

    Wer es langsam und genau liest, wird feststellen:
    Wer mal Politiker so richtig schön zur Verzweiflung treiben will, ist bei dem Thema genau richtig. Denn es gibt da auch ein paar weitgehend unbekannte politische Hintergründe.

    Hier geht es zu dem Artikel:

    http://geistiges-potential.blogspot.com/

    • Seldon schreibt:

      Unsere wichtigsten politischen Forderungen sind deshalb:
      – Kommunalisierung und Demokratisierung von Energieversorgung, Lebensmittelversorgung und
      Transportwesen;
      – Kommunalisierung und Demokratisierung des Bildungswesens. Einheitliche Ausbildung in Theorie
      und Praxis für Alle bis zum 18. Lebensjahr.
      Durch Kommunalisierung wird die Verwaltung, Produktion und Verteilung möglichst vieler gesellschaftlicher
      Aufgaben auf lokaler Ebene organisiert. Durch Demokratisierung übernehmen alle Gesellschaftsmitglieder
      die unmittelbare Verantwortung und direkte Kontrolle über Gemeinschaftsaufgaben. Kommunalisierung
      und Demokratisierung gehören zusammen.
      usw.
      Vielleicht in die Richtung?

      Klicke, um auf Bochum.pdf zuzugreifen

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