Staatsterrorismus: Italienischer Richter und Gladio-Aufdecker als Zeuge im Bommeleeër-Prozess

Im sogenannten Jahrhundert-Prozess rund um die Bombenleger-Affäre in Luxemburg hält die Verteidigung weiter an ihrer These fest, dass Stay behind-Armeen, geheime paramilitärische Einheiten der NATO, hinter den Bombenanschlägen stecken, die in den 1980er Jahren in Luxemburg verübt wurden. Nun soll der italienische Richter und Gladio-Experte Felice Casson vor Gericht aussagen und mehr Licht in die dunklen Angründe der Geheimarmeen bringen. Auch unsere Bundesregierung hat sich mit Stay behind wieder beschäftigen müssen.

Der italienische Untersuchungsichter Felice Casson ermittelte ab 1984 zu einem bis dahin ungeklärten Bombenattentat, bei dem drei Polizisten starben. Er deckte dabei geheime Strukturen innerhalb des Staates auf. Schließlich enttarnte er auch die NATO Geheimarmee Gladio. Diese übte Terroranschläge aus, um sie den linken Extremisten unterzuschieben. Diese Geheimarmeen gab es überall in Europa. In Deutschland und Luxemburg operierten sie unter den Namen Stay Behind.  Die Organisation steht auch im Verdacht für das Oktoberfestattentat 1980 in München verantwortlich zu sein.

In Luxemburg gab es in den 1980er Jahren die schwersten Terroranschläge. Diese werden im Bommeleeër-Prozess derzeit neu untersucht. Auf der Anklagebank sitzen zwei ehemalige Elite-Gendarmen, die für diese Anschläge verantwortlich sein sollen. Die Verteidigung sieht jedoch zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass hinter den Anschlägen die geheime Stay behind Armee steckte. Spektakulär war dazu die eidesstattliche Aussage des deutschen Historikers Andreas Kramer, der vor Gericht angab, dass sein Vater die Stay-behind-Aktionen in Deutschland und Luxemburg koordinierte und sowohl die Anschläge in Luxemburg als auch das Oktoberfestatentat in München plante. Kramers Glaubwürdigkeit musste aber angezweifelt werden.

In der kommenden Wochen wird das Gericht nun weitere Verdachtsmomente zu Stay Behind untersuchen. Ein Indiz dafür, dass diese Spur die richtige sein könnte, lieferten am 6. März die Zeugenaussagen des Ex-Soldaten Alain Jaans, der 1988 von seinem Vorgesetzten von Stay behind erfahren haben will, und Guy Gries, ein Fahrer der Armee, der seinen Vorgesetzten Colonel Bruck mehrfach zu einem späteren Tatort fuhr, welcher von Bruck genau ausgekundschaftet wurde.

Auch auf höchster Regierungsebene war der Verdacht, dass die geheime NATO-Armee Stay behind die Anschläge verantwortete, bekannt. So wurde z.B. der damalige Premiere Jean-Claude Juncker von seinem Geheimdienst Srel frühzeitig über deren Stay-behind-Verdacht informiert. Diese Informationsweitergabe wurde sogar ohne das Wissen von Juncker heimlich von seinem Geheimdienstchef mitgeschnitten. Als diese Aktion letzten Jahr ans Tageslicht kam, berichteten die deutschen Medien eifrig über diesen Abhör-Skandal, ohne jedoch darauf zu hinzuweisen, dass es in dem heimlich mitgeschnittenen Gespräch um die Stay-behind-Armeen ging.

Die Verteidigung im Bommeleeër-Prozess vermutet, dass der Geheimdienst Srel in ihren Akten noch sehr viel konkretere Erkenntnisse zur Stay-behind-Armee hat und beantragte längst deren Einsicht. Das Verfassungsgericht muss aber noch entscheiden, ob die Geheimhaltung der Akten für diesen Prozess aufgehoben wird.

Für Spannung dürfte auch die Befragung des damaligen luxemburgischen Aussenministers Jacques F. Poos sorgen, wenn das Gericht den entsprechenden Antrag der Verteidigung nachkommt. Erst einmal aber wird der italienische Richter Felice Casson in den Zeugenstand kommen und einen erhellenden Blick auf die damaligen geheimen Machtstrukturen innerhalb eines westlichen demokratischen Staates liefern. Der Gladio-Experte hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht, von denen leider nicht ein Einziges ins Deutsche übersetzt wurde.

Überhaupt tut man sich in Deutschland mit der Aufarbeitung dieses Themas immer noch schwer. In einer jüngst veröffentlichten Antwort auf einer Anfrage der Partei DIE LINKE zur Herkunft der 1996 entdeckten Waffendepots in Berlin, sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit zum Thema Stay behind Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern vielmehr „dass die weitere Aufklärung […] der Justiz und der historischen Forschung überlassen bleiben sollte“. Trotzdem hat die Bundesregierung in ihrer Antwort klarzustellen versucht, dass die in Deutschland operierenden Stay-behind-Armeen nicht der NATO, sondern nur dem BND unterstellt waren. Nur stellt sich die Frage, in welchem Auftrag der BND die Geheimarmee unterhielt. Bisherige Erkenntnisse sehen ganz oben in der Befehlskette eben doch die NATO. Und auch ein Eintrag auf Wikipedia lässt den Schluss zu, dass die NATO den Geheimarmeen in Europa vorstand:

„Die NATO reagierte auf die Aussage Andreottis (damaliger italienischer Ministerpräsident/Ergänzung des Autors) , dass Gladio eine NATO-Organisation sei, mit Konfusion. Erst rund einen Monat später trat am 5. November 1990 der höchstrangige NATO-Sprecher Jean Marcotta vor Journalisten und erklärte, dass „die NATO niemals einen Guerillakrieg oder Geheimaktionen in Betracht gezogen hat.“Schon einen Tag später wurde diese Aussage von einem anderen NATO-Sprecher jedoch als falsch (incorrect) bezeichnet. Die Journalisten erhielten ein kurzes Kommuniqué, das besagte, dass die NATO sich grundsätzlich nicht zu geheimen militärischen Angelegenheiten äußern würde und sein Kollege Marcotta am Vortag gar nichts hätte sagen sollen.Die Presse protestierte gegen das Verhalten der NATO, sie mit diesen geringen Informationen abzuspeisen. In der Berichterstattung dominierte in der Folge die Aussage, dass die Geheimarmeen Teil einer NATO-Organisation waren.“

Es bleibt abzuwarten, was der Prozess in Luxemburg noch zu Tage fördert und ob die Aufarbeitung der BND-Dokumente, die zu Stay-behind freigegeben wurden, weitere Erkenntnisse bringen. Die Erschliessung dieser BND-Akten soll allerdings bis 2017 andauern.

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5 Antworten zu Staatsterrorismus: Italienischer Richter und Gladio-Aufdecker als Zeuge im Bommeleeër-Prozess

  1. Arcturus schreibt:

    Hat dies auf Oberhessische Nachrichten rebloggt.

  2. walterfriedmann schreibt:

    Hat dies auf Forum Politik rebloggt und kommentierte:
    Staatsterrorismus

  3. fatalist schreibt:

    Aus aktuellem Anlass:
    Daniel Neun hat sehr gute NSU-Tweets abgesetzt:

    Ich frage mich wirklch welchen Dreck ihr Schwachsinnigen euch von euren angeblichen Gegnern NICHT erzählen lasst. http://t.co/UWvTft6y5q— Daniel Neun (@Daniel_Neun) 26. März 2014

    Am Montag wird der „Held des 4.11.2011“ vor dem Erfurter Untersuchungsausschuss befragt werden: LTD PD Michael Menzel.

    NIEMALS thematisiert bisher wurde eines der schönsten NSU-Märchen überhaupt: Die fehlenden Fahrräder im Eisenacher Wohnmobil, und die aufgefundenen Fahrräder nach dem Bankraub in Arnstadt.

    1. Wo sind die Fluchtfahrräder vom Bankraub Eisenach?
    (im Womo waren sie nicht!!)

    2. Warum suchte man nach „Fahrzeugen in die die Täter Fahrräder einladen konnten“, obwohl in Arnstadt die Fahrräder aufgefunden wurden, 2 km von der Sparkasse entfernt, an einem Dönerstand?

    Zeuge für Sachverhalt Frage Nr.1 ist Thomas Moser sowie das Asservaten-Gesamtverzeichnis (erfragen zum Beispiel bei Lena Kampf vom STERN) !!!KEINE FAHRRÄDER!!!

    Zeuge für Sachverhalt Frage Nr.2 ist die TA, diverse Berichte dort:

    http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Einsatz-nach-Eisenacher-Bankueberfall-haette-schiefgehen-koennen-1884469167

    http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Gothaer-Polizei-Chef-offenbart-Details-zu-Eisenacher-Bankraub-1229938459

    Zusatzfrage:
    Warum ist in der Anklageschrift eine „zeitlich passende Wohnmobil-Ausleihe“ für den Bankraub in Arnstadt enthalten, für ein Wohnmobil in das die Fluchtfahrräder NICHT eingeladen wurden?

    Man sollte vielleicht mal den Erfurter PUA anmailen, damit diese ganz einfachen Fragen dem „Helden von Eisenach“ endlich gestellt werden.
    Beim NSU-Prozessauftritt des PD Menzel war dazu niemand in der Lage.

    Auch das Schweigen der Medien „passt irgendwie“, denn die fehlenden Fluchtfahrräder von Eisenach sind den Journalisten allgemein bekannt. Die aufgefundenen Fahrräder in Arnstadt hingegen nicht.

    Man muss an der Erfurter PUA ran, 31.3.2014 ist bald! Sehr bald!
    Gruß

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