Entscheidungen vor der Wahl: Blitzschach in der Ukraine

Am 21. Februar wurde aus dem langasamen Gezerre um die Macht in der Ukraine plötzlich ein blitzschnelles Aktions- und Reaktionsspiel der Mächtigen. Eine Schachpartie mit schnellen Zügen. Der letzte Zug war die heutige Unterschrift unter dem Assoziierungsabkommen. Ohne Rücksicht auf Selbstbestimmung wird über die Zukunft der Ukrainer entschieden, noch bevor diese am 25. Mai zur Wahl gehen.

Wer auf die Demonstranten und auf die Polizisten schoß ist immer noch nicht bewiesen. Dieser Gewaltausbruch auf dem Maidan vor einem Monat, am 21. Februar, führte jedoch dazu, dass die nur Stunden zuvor erreichte Einigung zwischen Opposition und  Präsident Janukovitsch wieder hinfällig war. Wie mussten sich die EU-Abgesandten aus Frankreich, Polen und Frank-Walter Steinmeier gefühlt haben? Zusammen mit einem Diplomaten aus Russland drängten diese vor Ort in einer nächtlichen Sitzung die ringenden Kräfte dazu, den erlösenden Kompromiss einzugehen und das entsprechende Papier zu unterschreiben. Geeinigt hatte man sich u.a. auf eine Übergangsregierung, die bis zur nächsten Präsidentschaftswahl den Status verwalten sollte. Klitschko und Janukovitsch reichten sich die Hand. Und Russland und die EU gewannen Zeit, um ihren Einfluss und ihre Interessen gegenüber der kommenden Regierung vorzubereiten – ohne dass eine demokratische Ordnung und kommende Bündnisse in Frage gestellt werden.

Doch einen Tag später wurden die Karten plötzlich neu gemischt. Wer weiß, wohin eine starke EU-Ukraine-Russland-Achse geführt hätte. Innerhalb von Stunden aber verschwanden Deutschlands Liebling der Opposition Klitscho und Russlands Freund Janukovitsch von der Bildfläche, das ukrainische Parlament setzte nun die EU- und US-zugewandte Partei Timoschenkos und die rechte Swoboda Partei in Regierungsverantwortung. Das war sozusagen die Eröffnung eines Blitzschachspiels, bei dem sowohl der objektive Beobachter als auch das ukrainische Volk kaum noch mitkommt.

Die neu zusamengesetze Regierung der Ukraine dürfte sich – wenn  sie denn trotz allem als demokratisch legitimiert sehen möchte – allenfalls nur als Übergangsregierung sehen und müsste sich in ihrem Handlungsspielraum entsprechend zurückhalten. Bis die Ukrainer unter dem Eindruck der neuen Situation ihre Regierung und politische Richtung am 25. Mai neu gewählt haben, dürfte es keine Gesetzesvorhaben und Entscheidungen geben, die das Volk richtungsentscheidend wäre. Aber es kam sofort anders. Los ging es mit einem Anflug von Dummheit. Oder war es  bewusste Provokation? Diese provisorische Regierung brachte unter der Federführung der Rechten ein Gesetz auf dem Weg, das den Gebrauch der russischen Amtssprache verbieten sollte. Und das in einem Land, in dem – vorsichtig geschätzt – jeder Fünfte russischer Herkunft ist. Auf der weitestgehend autonomen Krim stellen die Russen mit über 66 % sogar die Mehrheit. Die Krim beherbergt Russlands Schwarzmeerflotte. Russland musste befürchten, dass sein mit der Ukraine vereinbarter Pachtvertrag über weite Teile der Krim untergraben wird, wenn die Ukraine zum Einflussgebiet der NATO gehören würde. Der neu ernannte Präsident Jazenjuk ließ nicht lange auf sich warten und bekannte sich kurz nach seiner Ernennung sowohl zur EU als auch zu NATO. Nicht nur darüber dürfen sich USA gefreut haben. Jazenjuks Bereitschaft, den IWF um finanzielle Hilfe zu bitten tat sein Übriges.

Diese Übergangsregierung hatte also nichts Schnelleres zu tun als sich dem Westen vollends zu öffnen, oder wollen wir lieber sagen, sich dessen Druck zu unterwerfen und auf der anderen Seite Russland die Tür zuzuschlagen. Alles im Sinne des ukrainischen Volkes? Putin hatte jedenfalls gar keine andere Wahl und musste dieser „westlichen Eröffnung“ einen Zug entgegensetzen. Die Sicherung der Krim geschah genauso über Nacht wie der Wechsel in Kiew. Wir lassen hier einfach mal den Quatsch mit Hoheitsabzeichen und ob nun Russen die Krim besetzten oder russchischfreundliche Kräfte der Bevölkerung. Putin hätte laut Pachtvertrag jedes Recht gehabt, sofort 25.000 Soldaten auf der Krim maschieren zu lassen.

Jetzt war der Westen gezwungen, mit einem Zug zu reagieren. Und Putin wusste wahrscheinlich, welcher es sein wird. Merkel rief sofort Putin an und schlug – so nach dem Motto „Ist ja gut, nun aber wieder Friede, ja?“ ein Treffen vor, um ausstehende Fragen zu klären. Verkauft wurde dieser Anruf  an die Presse damit, dass Merkel einfach nur den Zeigefinger erheben wollte. „Merkel wirft Putin Verstoß gegen das Völkerrecht vor“ titelten fast alle Medien entsprechend ähnlich. Was für ein Quatsch. Putin aber ließ die EU zappeln, wohl wissend dass zur Ukraine-Frage seit dem Regierungswechsel in Kiew die EU ohne den USA nichts mehr zu melden hat. Stattdessen holte sich Putin die Unterstützung von China. Und die Krim bereitete ihr Referendum vor. Das Spiel um die Krim war damit zu Ende.

Die Krim ist nun wieder russisch, aber es gibt ja noch mehr zu verteilen. Die provisorische Regierung Ukraines verließ vor drei Tagen die GUS, die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und führte für Russen die VISA-Pflicht ein (Wir erinnern uns: Jeder Fünfte Ukrainer  ist russchischer Herkunft, die meisten dürften in Russland Verwandte haben). Außerdem unterschrieben heute die provisorische Regierung der Ukraine und die EU den politischen Teil eines Assoziierungsabkommen. Es ist genau das Abkommen, welches die Ukraine in einer souveränen, demokratischen Entscheidung im November 2013 abgelehnt hatte. Der wirtschaftliche Teil dieses Abkommens soll noch folgen. Der Übergangspräsident der Ukraine bezeichnete diesen Tag für die Ukrainer als „historisch“. Dieses historisch wichtige Abkommen konnte jedenfalls nicht warten bis das ukrainische Volk am 25. Mai über seine Regierung und damit über die politische Richtung selbst entscheidet. Aucb über die Frage der finanziellen Abhängigkeit wird vor der Wahl im Mai längst entschieden sein. Am 3. März schon berichtete handelsblatt.de:

Von seinem Erfolg hängen die Hilfen der USA und der Europäischen Union ab, die mit einem vom IWF gebilligten Hilfspaket verknüpft sind. Die Regierung ersucht in einem ersten Schritt um 15 Mrd. Dollar, um die Finanzlage nach den blutigsten Unruhen seit dem Zweiten Weltkrieg wieder zu stabilisieren.

Gestern hieß es:

Es gebe „entscheidende Fortschritte“ in der Diskussion mit Kiew über notwendige Reformen, teilte der IWF am Donnerstag in Washington mit: „Unsere Zusammenarbeit mit den ukrainischen Behörden war bislang exzellent.“ t-online.de

Bis zum 25. März soll die Arbeit abgeschlossen sein. Über die „notwendigen Reformen“ werden die Ukrainer am 25. Mai sicher nicht mehr abstimmen können. Das ukrainische Volk: Matt.

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2 Antworten zu Entscheidungen vor der Wahl: Blitzschach in der Ukraine

  1. Tester schreibt:

    Hinter den Kulissen arbeiten die doch eh alle zusammen und teilen sich den Kuchen auf, der Rest ist Brot und Spiele.

  2. johannes schreibt:

    Was in der Ukraine derzeit abgeht mit voller Rückendeckung der USA und von Frau Merkel, trotzdem die es besser wissen kann man in diesem video sehen:

    Eine Schande und ein Verbrechen, was die estlichen „Demokratien“ da unterstützen.

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